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Technologietrends

Einige aktuelle Tendenzen in der russischen Panzerbautechnologie

12.04.2021

1. Aktueller Stand bei der Entwicklung russischer Wärmebildgeräte

Ein kurzer Blick zurück zu den Anfängen

Die sowjetischen Kampfpanzer der Generation nach dem 2. Weltkrieg wurden bereits sehr früh mit Infrarotgeräten für Fahrer, kurze Zeit später auch für den Richtschützen und den Kommandanten ausgestattet. Dabei konnten die sowjetischen Entwickler zum einen auf bereits in den späten 30-er Jahren bis zum Kriegsbeginn gesammelte Erfahrungen zurückgreifen, andererseits konnte wertvolles Wissen aus der im Krieg von der deutschen Wehrmacht erbeuteten Nachtsichtausstattung geschöpft werden.

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Bild 1 Fahrernachtsichtgerät BT-7

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Bild 2 Fahrenachtsichtgeräte für KfZ

Bereits im Jahr 1937 wurde ein Panzer BT-7 erprobt, der mit einem Infrarot-Bildwandlergerät für den Fahrer und zwei Infrarotscheinwerfern ausgestattet war. Die Sichtweite erreichte damals 50 Meter. Im Jahr 1941 entwickelte das selbständige Konstruktionsbüro des Instituts für Elektrotechnik die ersten Nachtsichtgeräte für Kraftfahrzeuge, und entwarf daraus eine tragbare Version des Geräts für die Aufklärungtruppe. Die Sichtweite betrug allerding nur unbefriedigende 30 Meter. Die vielversprechenden Entwicklungen wurden durch den Kriegsverlauf vollständig unterbrochen und erst Ende der 40-er Jahre wieder aufgenommen.
Das erste Infrarotzielfernrohr das international bereits ab Werk serienmäßig in einem Kampfpanzer verbaut wurde, war das TPN-1 des T-54B, dessen Sichtweite mit Infrarotscheinwerfer etwa 600 - 800 Meter betrug. Es blieb bis Ende der 70-er Jahre das wichtigste Infrarotzielfernrohr der sowjetischen Kampfpanzer und wurde dann für die sowjetische Panzertruppe vom TPN-3 abgelöst, das im passiven Betrieb Sichtweiten von bis zu 800 Meter und mit IR-Scheinwerfer bis zu 1200 Meter ermöglichte. Das TPN-1 war inzwischen hoffungslos veraltet, wurde aber noch bis Anfang der 90-er Jahre exportiert. Und auch das TPN-3 entsprach schon nicht mehr dem technologischen Stand seiner Zeit, da inzwischen bereits leistungsfähige Bildwandler der II. und III. Generation mit Mikrokanalverstärkern im Einsatz waren.

 

Bild 3 TPN-2

Bild 4 AGAVA-2

In den 80-er Jahren erfolgte bei den anderen großen Panzerbaunationen der Übergang auf moderne Wärmebildzielfernrohre, die zunehmend zur Standardausstattung aller neuen und nach und nach auch der modernisierten Kampfpanzer wurden. In der Sowjetunion begann man ebenfalls mit der Entwicklung solcher Wärmebildzielfernrohre. Aus verschiedenen Gründen, wie fehlenden Ressourcen und anderen Schwerpunktsetzungen, blieben die Ergebnisse unbefriedigend. Nur das Wärmebildzielfernrohr AGAVA-2 schaffte es in den mit geringen Stückzahlen gebauten T-80UM1. Die extrem hohen Kosten und die nicht mehr zeitgemäße Leistungsfähigkeit des AGAVA-2 führten zur Einstellung des Projekts.

Durch das Ende des Kalten Krieges in den 90-er Jahren entfielen dann auch die Beschränkungen beim Einkauf von militärisch bedeutsamen Erzeugnissen. In den russischen Kampfpanzern konnten nun importierte französische Wärmebildkameras der Firma Thales verwendet werden. Insbesondere die Kamera CATHERINE-FC wurde in größerer Anzahl beschafft und unter anderem im Mehrkanalzielfernrohr SOSNA-U der Firma PELENG aus Belarussland verwendet. Das SOSNA-U mit der CATHERINE-FC wurde dann erfolgreich in den modernisierten Kampfpanzern T-72B3 und im Wärmebildzielfernrohr ESSA des T-90A eingebaut. Im Jahre 2007 erhielt Russland zusätzlich die Möglichkeit, die CATHERINE-FC im Optischen Werk in Vologda in Lizenz herzustellen. Ungeachtet dessen wurde in Russland weiterhin viel Energie die Beherrschung der Wärmebildtechnologie investiert und eine eigene industrielle Basis zur Fertigung von Wärmebildsensoren zu schaffen. Um das Jahr 2010 existierten auf diesem Gebiet bereits einige Patente und Baumuster, beispielsweise der Wärmebildsensor FEM10M mit einer Matrix 4x288 Sensorelemente und einem Sprektralbereich von 7,7 bis 10,5 µm, der ursprünglich für die Optronik eines KAMOV-Kampfhubschraubers vorgesehen war.

Inzwischen hatten sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, insbesondere zur Europäischen Union wieder abgekühlt. Im Ergebnis des 2014 durch Russland ausgelösten bewaffneten Konflikts mit der Ukraine, bei dem die russischen Streitkräfte auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine gegen die ukrainische Armee kämpften, wurden gegen Russland Sanktionen erlassen. In der Folge belegte Frankreich die zur Herstellung von Wärmebildkameras der CATHERINE-Familie notwendigen Wärmebildsensoren mit einem Exportverbot. Damit war die weitere Modernisierung der russischen Kampfpanzer in Frage gestellt. Das Finden einer Alternative erhielt nun in Russland höchste Priorität in Forschung und Industrie.

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Bild 5 CATHERINE-FC von Thales (Fr)

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Bild 6 Kamera TETSA von Fa. ORION (Ru)

Wärmebildgeräte russischer Entwicklung und Produktion

Die bereits vor den Sanktionen ins Auge gefasste "Importsubstitution" für viele als strategisch bedeutsam eingestufte Erzeugnisse wurde nun weiter intensiviert. Es zeigte sich, dass die Entwicklung und die Technologie zur Herstellung der Wärmebildgeräte äußerst anspruchsvoll ist und jahrzehntelange Erfahrung erfordert. Es kristallisierten sich zwei Problemfelder heraus. Zwar konnten um 2018 die ersten Wärmebildsensoren russischer Entwicklung in größerer Anzahl hergestellt werden. Jedoch zeigte sich, dass die Qualität der von den Bildsensoren erzeugten Bilder nicht im gewünschten Maße die Anforderungen für ein Panzerzielfernrohr erfüllten. Außerdem war die Herstellungsqualität bei den Bildsensoren unerwünscht großen Schwankungen unterworfen. So mussten beispielsweise Wege gefunden werden, um zu gewährleisten, dass die Dicke der entscheidenden Materialschicht der Bildsensoren einen bestimmten Wert nicht überschreitet, wobei sich das Einhalten einer gleichbleibenden Schichtdicke im Produktionsprozess unerwartet schwierig gestaltete. In gewöhnlich gut unterrichteten russischen Kreisen wurde mehrfach darüber berichtet, dass für die russische Wärmebildkameras, zumindest anfangs, auch Wärmebildsensoren aus China beschafft wurden. Es ist ebenfalls bekannt, dass aus China eine große Zahl Mikro-Kühlaggregate vom Typ SCI04R zur Herabkühlen der Wärmebildsensoren beschafft wurden, wobei diese Kühlertyp ursprünglich auf ein Erzeugnis aus Israel zurück geführt wird.
Es hatte sich gezeigt, dass die bisher in Russland entwickelten Mikro-Kühlaggregate noch nicht zur vollen Zufriedenheit funktionierten, Ein Artikel in einer russischen Fachzeitschrift listet dazu einige Mängel auf: "unzuverlässiger Betrieb, geringe Lebensdauer, geringe Kühlleistung, erhöhter Stromverbrauch". Im Jahre 2016 beklagt ein Unternehmen aus Wuhan in China, dass der Entwicklungsstand von chinesischen Mikro-Kühlaggregaten immer noch keine Serienherstellung erlaubt. In Russland ist dieses Problem auch im Jahr 2018 noch Thema der Forschung, wie eine Dissertation von der Moskauer Bauman Universität aus dem selben Jahr zeigt. Die Wärmebildsensoren bilden mit dem Kühlaggregat eine Einheit. Dabei ist es wichtig, dass die Kühlaggregate einen störungsfreien Dauerbetrieb unter den äußerst extremen mechanischen und thermischen Bedingungen in der Wärmebildkamera eines Kampfpanzers gewährleisten und dabei die optimale Temperatur von 77 Kelvin, wie beim Kühlaggregat SCI04R, möglichst konstant einhalten, ohne dabei zuviel Elektroenergie zu verbrauchen.

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Bild 7 - Wärmebildsensor FUK25M

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Bild 8 - Wärmebildsensor FEM18M-03

Ein drittes Problem besteht in der vollständigen Beherrschung der Technologie zur gezielten Nutzung verschiedener Spektralbereiche. Die Praxis zeigt, dass Wärmebildsensoren im mittelwelligen Bereich, also etwa zwischen 3 - 5 µm, gute Eigenschaften bei erhöhter Luftfeuchte aufweisen. Jedoch ist die Entfernung in der die Wärmestahlung eines Objekt gerade noch aufgenommen werden kann, geringer als bei den Geräten des langwelligen Bereiches von etwa 8 - 12 µm. Die Bildsensoren des langwelligen Infrarotbereiches ermöglichen weitaus größere Beobachtungsentfernungen. Von diesen Werten hängt auch die Entfernung ab, in der das erkannte Objekt bereits in seiner Klassifizierung, zum Beispiel Kampfpanzer oder Schützenpanzer, unterschieden werden kann. Kann bei weiterer Annährung des Zielobjekts der konkrete Typ bestimmt werden kann, ist die Identifizierungsentfernung erreicht. Das Militär ist aus den genannten Gründen davon überzeugt, dass die langwelligen Wärmebildsensoren für Zielfernrohre weiterhin das Optimum darstellen.

Das russische Unternehmen ORION hat nun um das Jahr 2020 den Wärmebildsensor FEM18M-03 so weit zur Serienreife gebracht, dass die russischen Miltärs offensichtlich bereits waren, den Geräten mit dem FEM18M-03 eine Zulassung zu erteilen. Dieser Bildsensor verfügt über eine gekühlte Matrix von 640 x 512 Sensorelementen aus Indium-Antimonid und arbeitet mit 3,6 - 4,9 µm im mittelwelligen Spektralbereich. Die maximale Erkennungsentfernung wird mit 3500 Metern angegeben. Das erzeugte Bild kann analog und auch digitalisiert an die Hauptelektronik und dann an die Monitore von Richtschütze und Kommandant ausgeben werden. Der Bildsensor ist dabei als Kernbaugruppe der russischen Wärmebildkamera TPK-K an Stelle der französischen Wärmebildkamera CATHERINE-FC im Zielfernrohr SOSNA-U eingebaut. Die TPK-K ist zur Gewährleistung der vollen Kompatibilität zum SOSNA-U in der äußeren Gestaltung und in den Abmaßen der CATHERINE nachgestaltet.

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Bild 9 - TPK-K

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Bild 10 - Vergleichsfotos aus der Erprobung

Neben der Lizenz für die CATHERINE-FC hatte Russland bekanntlich auch eine Lizenz für die deutlich leistungsfähigere CATHERINE-XP erworben. Auch hier entfiel die Möglichkeit einer Lizenzproduktion wegen der Sanktionen. Aus russischen wissenschaftlichen Publikationen aus dem Jahr 2015 war zu entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt die Wärmebildkamera TPVK-A für den Einsatz im T-14 ARMATA vorgesehen war. Dieses Wärmebildkamera sieht der französischen CATHERINE-XP äußerst ähnlich. Es ist naheliegend, dass die in der Holding SHVABE zusammengefassten Entwickler und Herstellerwerke unverzüglich begannen eine Alternative zu schaffen. Die im Ergebnis geschaffene TPVK-A wurde publikumswirksam auf der Ausstellung ARMEE-2020 in Moskau präsentiert. Gemäß der Werbeplakate am Ausstellungsstand soll die TPVK-A im Hauptzielfernrohr des Richtschützen Verwendung finden. Für das Panoramazielfernrohr des Kommandanten ist die Modifikation TPVP-A-PCS vorgesehen. Russischen offiziellen Presseberichten zufolge hatte es bei den abschließenden Arbeiten bis ins Jahr 2020 am T-14 ARMATA nicht unbedeutende Verzögerungen gegeben, die sogar zu juristischen Auseinandersetzungen führten, wobei neben anderen Problemfeldern insbesondere ungelöste Fragen bei den Zielfernrohren genannt wurden. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Wärmebildzielfernrohre noch nicht die geforderten Parameter erreichten.

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Bild 11 . CATHERINE-XP

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Bild 12 - TPVK-A und TPVK-A-PCS

Der bis 2020 erreichte Entwicklungsstand bei russischen Wärmebildkameras erlaubt inzwischen, die weitere Modernisierung der T-72 Flotte auf die Rüststufe T-72B3M weiterzuführen. Eine kleine Serie von Kampfpanzern T-80BV ist ebenfalls in dieses Modernisierungsprogramm aufgenommen worden. An Stelle des bisherigen Infrarot-Nachtzielfernrohres TPN-3 ist nun beim T-80BVM das Mehranalzielfernrohr SOSNA-U eingebaut. Als Wärmebildkamera wird die selbst entwickelte TPK-K verbaut. Im Gegensatz zum T-72B3 wurde hier jedoch das ursprüngliche Hauptzielfernrohr 1G42 entfernt. An seiner Stelle wird nun ein Hilfszielfernrohr der Typenreihe 1P67 eingesetzt, das bei abhängiger Stabilisierung das Schießen bei Tag erlaubt, oder gegebenenfalls bei Nacht mit Strichplattenbeleuchtung und externer Gefechtsfeldbeleuchtung. Dies ist ein Novum im russischen Panzerbau, weil echte Hilfszielfernrohre letztmalig in den schweren Kampfpanzern der 50-er Jahre Verwendung fanden. Der Kommandant des T-80BVM kann wie beim T-72B3 den Richtschützen vollständig übersteuern, wenn er über seinen Monitor den Wärmebildkanal des SOSNA-U nutzt. Mit dem SOSNA-U ist es nun auch für den T-80BVM möglich Panzerabwehrlenkflugkörper 9M119 INVAR über einen Laser-Leitstrahl auf bis zu 5000 m Entfernung zu verschießen.

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Bild 13 - Richtschützenplatz des T-80BVM

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Bild 14 - Feuerleitanlage für Schützenpanzer BMP-3

Für die Modernisierung der Schützenpanzer BMP-3 und gleichartiger Fahrzeuge bietet das Unternehmen VOMZ aus Vologda die Feuerleitanlage PPND B03S03 SODEMA an. Das Hauptzielfernrohr ist modular aufgebaut und umfasst das eigentliche Zielfernrohr mit Laser-Entfernungsmesser, die Laser-Leitstrahlbaugruppe, die Wärmebildkamera TETSA, den Monitor zum Betrachten des Wärmebildkanals, die Richtgriffeinrichtung, den digitalen ballistischen Rechner, die üblichen Sensoren für die Ermittlung der Bedingungen für das Schießen und die entsprechenden Verbindungsbaugruppen. Nach letzten Informationen erhalten die BMP-3 zukünftig im Rahmen der Hauptinstandsetzung diese Modernisierung der Feuerleitanlage.

Das Moskauer Unternehmen PERGAM entwickelt im Rahmen der russischen Initiative zur Ersetzung ausländischer Technologieimporte ebenfalls Wärmebildkameras und die zu ihrem Einsatz notwendigen Baugruppen. Dabei werden zum einen Wärmebildkameras mit ungekühltem Bildsensor entwickelt, aber auch solche mit gekühltem Bildsensor. Hier spielt das Verhältnis von gefordertem Leistungsumfang und Kosten eine große Rolle. Für nicht wenige Einsatzbereiche, wie in der allgemeinen Geländeüberwachung sind die Forderungen an die Bildqualität und Sichtweite nicht ganz so hoch wie beispielsweise bei den militärischen Zielfernrohren für Kampffahrzeuge. Von nicht unbedeutender Wichtigkeit sind für den effektiven Einsatz der Wärmebildkameras die vorgeordneten optischen Systeme, wie zum Beispiel Zoom-Objektive. PERGAM stattet seine Kameras daher werksmäßig bereits mit solchen Baugruppen aus. Die ungekühlte AXION Kamera von PERGAM kann mit einem 25 - 225 mm Objektiv ein Kraftfahrzeug vom Typ PKW auf eine Entfernung von bis zu 6 km erkennen und eine Person auf bis zu 4 km.

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Bild 15 - ungekühlte Wärmebildkamera AXION UNCOOLED

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Bild 16 - gekühlte Wärmebildkamera TSIKLON COOLED

Inzwischen ist mit dem Unternehmen TsNII TSIKLON als Teil der Holding ROSELEKTRONIKA ein weiterer Entwickler von Wärmebildkameras mit gekühlten Wärmebildsensoren aktiv. ROSTEKH weist darauf hin, dass diese Wärmebildkamera, wie im Bild 16, erstmalig vollständig aus russischen Bauteilen besteht. Das Sensorfeld von 640x512 Pixeln soll bei hoher Bildauflösung Objekte in einer Entfernung von bis zu 3500 m auch im weiten Sichtfeld von 10,5 x 7,8 Grad sicher erkennen lassen. Im Moment befindet sich die Kamera noch im Erprobungsstadium, es soll nun ein Serienmodell gefertigt werden. Fotos zeigen, dass sich auf den Leiterplatten weiterhin auch nichtrussische Bauteile finden, wie beispielsweise von der Schweizer Firma TRACO ELECTRONIC AG.

 

2. Aktueller Stand bei der Entwicklung russischer Feuerleitanlagen

Solche Wärmebildkameras, wie weiter oben im Teil 1 genannt, werden in vielen neuen optronischen Geräten zu finden sein, die zunehmend auch in russischen Kampffahrzeugen eingesetzt werden. Das bekannte Konstruktionsbüro KBP TULA hat sich eine solche Optronik patentieren lassen. Die Patentbeschreibung bezeichnet die Einrichtung mit diesen optronischen Geräten als Informationsmanagement- und Steuerungskomplex für Kampffahrzeuge. Das bedeutet nicht weniger, als dass diese Einrichtung nicht nur eine Feuerleitanlage zur Aufklärung und Bekämpfung von Zielen darstellt, sondern dazu bestimmt ist, die vollständigen digitalen Informations- und Datenströme im Waffen- bzw. Turmmodul mit Waffenrichtanlage und Waffenanlage, dem Bordcomputer sowie zu den abgesetzten Bedienerplätzen zur erfassen, zu steuern und zu überwachen.

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 Bild 17 - Optroniken Kommandant und Richtschütze

Bild 18 - Einsatz am Waffenmodul EPOKHA

Die klassischen Zielfernrohre für Kommandant und Richtschütze können nun gegebenfalls durch außen am Turm angebrachte Optronik-Module ersetzt werden. Diese sind auf ihren Sockeln in zwei Ebenen stabilisiert aufgehängt. Das garantiert die Führung einer unabhängig stabilisierten Visierlinie und für das Gerät des Kommandanten die Möglichkeit zum Einsatz als Rundumsicht-Zielfernrohr mit uneingeschränkter Hunter-Killer-Funktionalität. Durch die Einbindung eines Navigationsgerätes und eines automatisierten Feldführungssystems ist die Übermittlung von Zielkoordinaten in Echtzeit an alle angeschlossenen Fahrzeuge und an die übergeordnete Führungstelle möglich. Eine Freund-Feind-Erkennungsanlage wurde ebenfalls implementiert.

Das Bild 19 zeigt ein Blockdiakgramm des Informationsmanagement- und Steuerungskomplexes für Kampffahrzeuge wie er im Patent beschrieben wird. Die einzelnen Geräte und elektronischen Baugruppen sowie die Bedienelemente und Monitore sind durch digitale Datenverbindungen miteinander verbunden, alle Funktionen werden durch einen multifunktionellen Rechner gesteuert, ergänzt durch die Steuerelektronik für die Waffenricht- und stabilisierungsanlage und die notwendigen Elektronikblöcke zur Steuerung der Datenverbindungen und zur Datenverarbeitung.

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Bild 19 - Informationsmanagement- und Steuerungskomplexes für Kampffahrzeuge

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 Bild 20 - Waffenstabilisierungsanlage

 

Die immer stärkere Hinwendung zu optronischen Systemen bringt jedoch auch Probleme mit sich. Fällt beispielsweise ein Zielfernrohr mit unabhängiger Stabilisierung der Visierlinie, bei dem die Waffenstabilisierung der Visierlinie nachgeführt wird, durch einen Schaden aus, so fällt zugleich auch die Waffenstabilisierung vollständig aus. Das hat zur Folge, dass eine gezielte Feuerführung aus der Bewegung unmöglich wird und die Leistungsmerkmale der automatischen Feuerleitanlage nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei der beschriebenen Anlage von KBP TULA für leichte Kampffahrzeuge steht zumindest eine der beiden Optroniken weiterhin zur Verfügung und kann theoretisch die Funktionalität für die Waffenstabilisierungsanlage als Backup-Gerät übernehmen. Für den Kampfpanzer T-90M mit seiner Feuerleitanlage KALINA hat das Sonderkonstruktionsbüro für Gerätebau und Automatisierung BPIR aus Kovrov die Waffenstabilisierungsanlage soweit modifiziert, dass bei Ausfall des Hauptzielfernrohres SOSNA-U die Stabilisierung von Turm und Kanone in der Notbetriebsstufe weiterhin möglich bleibt, wenn auch eingeschränkt.
Bei voll funktionsbereiter Stabilisierungsanlage werden Turm und Kanone unter Nutzung der Signale der Winkelgeschwindigkeit von Turmkreisel und Waffenkreisel dem primären Stabilisierungssystem des Kopfspiegels des Hauptzielfernrohres nachgeführt. Bei Ausfall des Stabilisierungssystems im Kopfspiegels fällt deswegen bei älteren System auch die Waffennachführung aus. Die Lösung besteht darin, dass die Waffenstabilisierung im Notbetrieb ausschließlich auf Grundlage der Winkelgeschwindigkeitswerte erfolgt, die vom Kreiselblock an der Kanone für die Vertikale und für die Horizontale zur Verfügung gestellt werden. Der Richtschütze kann zum stabilisierten Beobachten und Schießen bei Ausfall der Hauptbetriebsart der Waffenstabilisierung nun das abhängig stabilisierte Hilfzielfernrohr benutzen, das unmittelbar mechanisch mit der Kanone verbunden ist. Auch wenn Entfernungsmesser und ballistischer Rechner nicht mehr verfügbar sind und auch die Stabilisierungsgüte stark herabgesetzt ist, so ist die Gefährdung des Panzers durch Schießen von der Stelle ausgeschlossen und auch das Erkennen und Anrichten von Zielen während der Bewegung bleibt weiterhin möglich. Die Verwendung eines speziellen Hilfszielfernrohres als Backup-Lösung für das Hauptzielfernrohr war zuletzt Anfang der 1950-er Jahre beim T-10A erfolgt. Erst beim T-90M und kurze Zeit später beim modernisierten T-80BVM wurde wieder ein solches Hilfszielfernrohr eingesetzt. Dies wurde auch deswegen möglich, weil mit dem bewährten SOSNA-U ein Tag/Nacht-Hauptzielfernrohr zur Verfügung steht, das ein gesondertes, unabhängiges Nachtzielfernrohr unnötig macht.

Fazit

Die Notwendigkeit eine nationale Alternative für die französischen Wärmebildkameras zu finden, führte zur Verstärkung der Anstrengungen zur Schaffung einer eigenen, russischen technologischen Basis für solche Geräte. Es ist bis heute gelungen einsatzfähige Wärmebildgeräte verschiedener Einsatzbereiche zu entwickeln und in Serie herzustellen. Eine große Anzahl dieser Geräte basiert auf relativ einfach herzustellenden ungekühlten Bildsensoren. Auch die erfolgreiche Fertigung von Bildsensoren im mittleren Spektralbereich erlaubt die Fertigung von einsatztauglichen Wärmebildkameras für Zielfernrohre. Allerdings sind die Anforderungen an Zielfernrohre für Kampfpanzer wegen der großen Reichweite der Panzerkanonen von den Militärs deutlich höher angesetzt. Nach internationalen Erfahrungen wird für diesen Zweck der langwellige Spektralbereich als am Besten geeignet angesehen. Die Fertigung von gekühlten Bildsensoren für diesen Spektralbereich erwies sich für die russischen Unternehmen als äußerst anspruchsvoll und hat die notwendige Qualität für Serienreife offenbar noch nicht erreicht. Letztlich ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis der Anschluss an den derzeitigen internationalen Stand erreicht wird. Es gibt Anzeichen dafür, dass bis dahin die Zielfernrohre SOSNA-U und andere vergleichbare Geräte mit Bildsensoren des mittleren Spektralbereiches ausgestattet werden. Auch wenn einige Leistungsparameter nicht auf höchstem internationalem Niveau liegen, so kann offenbar dennoch eine ausreichends gute Nachtkampffähigkeit gewährleistet werden.

Die zunehmende Verwendung moderner optronischer Geräte in Verbindung mit leistungsfähigen digitalen Feuerleitanlagen und digitalen Informationsmanagementsystemen auch in russischen Kampffahrzeugen, zunächst in der Phase ihrer Entwicklung und Vervollkommnung, ist unübersehbar und folgt dem internationalen Trend. Dabei befinden sich die Unternehmen gemeinsam mit dem militärische Beschaffungswesen in einem großen Spannungsfeld zwischen dem verfügbaren Budget, den durch die Hochtechnologien erheblich anwachsenden Kosten und dem für erforderlich gehaltenen Leistungsspektrum der Ausrüstung. Es wird deswegen nicht überraschen, dass allein aus Kostengründen derzeit einer Kampfwertsteigerung bereits vorhandener Kampffahrzeuge aller Art der Vorzug gegeben wird.

 

Literatur

1. FPA-Dickenmessungen nach der IR-Spektralreflexionsmethode; E. V. Permikina, Journal PRIKLADNAYA FIZIKA Nr 6/2019, S. 68, Russland

2. Entwicklung der Panzerzielfernrohre, A. I. Abramov, Wiss. Techn. Journal KONTENANT Band 16 Nr 3/2017, Russland

3. Robotertechnische Systeme für die taktische Aufklärung, G. A. Patin, A. V. Karev, Journal KONTENANT Band 14 Nr 3/2015, Russland

4. "Wie Russland importierte Wärmebildkameras ersetzt", Mil.Press Voennoe, 22.06.2020, Link

5. Entwicklung von mikrokyrogenen Systemen für Foto-Empfangsgeräte, Journal KONTENANT Band 14 Nr 3/2015, Russland

6. Schaffung eines langlebigen Kryogenerators für Navigationssysteme“, E. S. Navasardyan, Baumann-Universität, Moskau, Mai 2018

7. Design and Performance of Guide Infrared’s RS058 Rotary Stirling Cryocooler, Autorenkollektiv, Wuhan Guide Infrared Co., LTD, China

8. Patent RU 2628027 Informationsmanagement- und Steuerungskomplexes für Kampffahrzeuge

9. Patent RU 2525292 Waffenstabilisator

10. Wärmebildbeobachtungstechnik, Katalog Unternehmen PERGAM, Russland,

11. Werbeprospekte Firma Orion, Russland

12. Werbeprospekte TsNII Tsiklon, Russland

 

Bilder

Bild 1 - https://trinixy.ru/145885-pervye-sovetskie-pribory-nochnogo-videniya-4-foto.html

Bild 2 - https://autoar.org/blog/test/

Bild 3 - https://topwar.ru/14990-pervye-sovetskie-pribory-nochnogo-videniya.html

Bild 3, 4 - Autor

Bild 5, 6 - Internet

Bild 7 - http://www.orion-ir.ru

Bild 8 - http://www.orion-ir.ru

Bild 9 - Intenet

Bild 10 - Robotertechnische Systeme für die taktische Aufklärung, G. A. Patin, A. V. Karev, Journal KONTENANT Band 14 Nr 3/2015, Russland

Bild 11, 12 - Internet

Bild 13 - ic.pics.livejournal.com

Bild 14 - Internet, Autor

Bild 15 - www.pergam.ru

Bild 16 - www.cyclone.su

Bild 17, 18 - Autor, nach Patent RU 2628027 Informationsmanagement- und Steuerungskomplexes für Kampffahrzeuge

Bild 19 - Autor, nach Patent RU 2628027 Informationsmanagement- und Steuerungskomplexes für Kampffahrzeuge

Bild 20 - Autor, nach Patent RU 2526292 Waffenstabilisator für Kampfpanzer, Autorenbearbeitung

 

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